20:02 steige ich in den Milla Club hinunter. Gleich auf der Treppe höre ich‘s bereits: Er hat pünktlich losgelegt. Der Klangstrom zieht mich runter in den Millaschiffsbauch, geh durch die Türe und befinde mich am Motor des Geschehens. Anton Kaun steht inmitten der Menge, drückt aufs Effektpedal und fährt elektroakustisches Rally. Er hält Bleche in den Händen (mit dünnen Kabeln dran) schlägt sie, akzentuiert dabei den Fahrtwind seiner Elektronik… die Lust am Kontrollverlust erkennt man an seinem Tanzen. Ich stehe erwartungsvoll nahe an Antons Spielbereich. Er drückt springend auf Klanggeber wie Handy, Diktiergerät oder sonstige Kleingeräte (bei vollem Einsatz auch mal mit Kopf und Körper) und erzeugt akustische Klangwände. Soundcluster wandern durch unterschiedliche Frequenzbereiche, es setzen holprige Rhythmen ein, nicht im technoiden Gleichschritt, eher wie spontan belassene Loops, wie krumme Äste im Wald. Anton aka Rumpeln tanzt und schreit ab und an in ein seltsames Objekt. Ich kann nicht erkennen, was es ist… Es muss ein Mikro sein, aber es muss irgendwie klein sein und so klingt es auch… Ich denke mir, ich sehe kein Mikro aber Antons Schrei geht durch das mit Stimme durchtränkte Objekt. Schreien macht Körper hörbar, also ich höre keinen Text, sondern einfach Schreien das durch das Objekt eine andere Geste bekommt. So ist es vielleicht auch mit seinem Körper der die Geräusche färbt wenn Anton spielt? Tatsächlich ist die Klangfarbe (im übrigen Rumpeln auch malt und zeichnet) bei ihm sehr genau gewählt und auch neu und eigen. Kurz gesagt: Die Geräuschpalette lebt von einer präzisen Auswahl an Sounds die dem Lärm entnommen wurden und mit Krach kombiniert werden, sich zuletzt in einen eigenständigen musikalischen Ablauf einordnen. Nach dem Konzert bat ich Anton um ein Interview. Noch mit weichem Kopf hatten wir ein sehr informatives Gespräch von 10 Minuten was ich hier gerne anfügen möchte…
Zoro: Ich habe unter anderen deine Körperarbeit beobachtet und festgestellt dass mir das sehr vertraut ist. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht dass für den der‘s macht, sich ganz anders anfühlt als für den der zuhört und zusieht. Was könnten unsere Leser jetzt Interessieren was sie nicht mitkriegen, was du fühlst. Bist du kontrolliert oder unkontrolliert?
Anton: So richtig sagen kann ich das nicht sonst würde ich knürpseln… es ist so ein körperliches Feedback, also von der Maschine. Ich gib der Maschine was und sie gibt mir was zurück. Das tu ich natürlich hochpotenzieren. Ich spiel damit, also, ich spiel auch mit dem Posen. Es ist schon so dass ich das was ich höre so auch umsetze und dann tanze? Ja, also wenn ich ein Mikrofon hinhalte ist es auch eine Pose. Die macht mir auch mega spass in der Bewegung und macht auch n‘ guten Sound, das gehört alles zusammen. Es geht da so los und dann geht’s los!
Zoro: Hat es auch mit Lautstärke zu tun?
Anton: Total wichtig, es geht aber nicht um absolute Lautstärke, also lautlautlautlaut sondern um eine gewisse Massivität. Ich bezeichne es eher als Volumen und nicht als Lautstärke. Ist es nicht lustig dass es im englischen einen Unterschied zwischen loudness und volume gibt?
Zoro: Wenn du Drumloops einbaust habe ich gemerkt dass diese rhythmisch-arhythmisch sind. Sie haben zumeist keine herkömmliche Genauigkeit, vielleicht in der Wiederholung zwar, aber die Loops selbst sind irgendwie krumm… wie krumme Äste die aneinanderhängen.
Anton: Ja, sehr schön gesagt. Deswegen weiß ich auch nicht, wenn ich so einen Loop hab, warum ich den so genau takten soll, wo ich so viel Zeit hab und so viele Setzungen machen kann. Meine Maschine hat gar kein Raster, ungerastete Beats, voll wichtig. Da fang ich dann auch zum Tanzen an. Zu gerade gemachten Beats kann ich nicht tanzen. Der Kram ist vorhersehbar, das find ich langweilig. Darum steh ich da auch die meiste Zeit rum.
Zoro: Wenn wir jetzt wieder beim Tanzen sind, wenn du da so in die Leute fällst oder auf den Tisch, ist das kontrolliert unkontrolliert? Kommt das durch Trance zustande?
Anton: Sobald zu viel Kontrolle entsteht, versuche ich mich darüber hinwegzusetzen. Das macht mir dann auch spaß, Kontrolle zu verlieren.
Zoro: Ist das grundsätzlich das Mittel, dass Klänge unkontrollierbar werden wie bei Rückkopplern zum Beispiel?
Anton: Ich weiß wie mein System funktioniert, bau mir da so einen Organismus auf wo ich im Schlamm oder im Müllhaufen rumwühlen kann, ich hab mittlerweile sogar einen Art Notfallschirm gebaut. Wenn alles schief geht mach ich dann so anders weiter. Bei meinen ersten Konzerten mit 16 gings mir nur um Energie. Voll mit‘n Körper reingehen, aber dass das blöde Kabel oder die Buchse das nicht aushält habe ich damals nicht gecheckt.
Zoro: Gehst du auch auf das Publikum los? So energetisch oder politisch?
Anton: Wie meinst du das? Ne also normalerweise steht ja bei DJ’s oder Noise Musikern ein Tisch dazwischen. ich bau mich gerne im Publikum auf und stell meinen Tisch so hin dass er nicht zwischen mir und den Leuten ist. Mir geht es um den Raum, dass ich Kontakt hab. So, Bamm!!! . Ich will auch die PA hören und nicht nur die Monitorböxchen.
Zoro: Wie geht es dir wenn du mit anderen Musikern spielst, wie bei RTZ oder Salewski Band?
Anton: Bei Rumpeln bilde ich ja das ganze Frequenzspektrum alleine ab, die komplette Wand. Ansonsten habe ich da so ein System gefunden, wie ich bei RTZ oder Salewski Band voll loslassen kann. Da bin ich halt dann fokussierter auf eine Sache, hier bin ich die ganze Band.
Zoro: Dank dir für das Gespräch lieber Anton.
Anton: Bitte gern.